Feuer by Lewin Waldtraut

Feuer by Lewin Waldtraut

Autor:Lewin, Waldtraut [Lewin, Waldtraut]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus
veröffentlicht: 2015-06-12T16:00:00+00:00


DIE FRAUEN

Es sind ihrer neun Weibsbilder. Mit Zittern und Zagen hocken sie zusammengekauert im Stroh des rumpelnden Wagens. Aber der Luther hat es gesagt. Der Luther hat ihnen die Botschaft zukommen lassen: Entspringt den Banden, entflieht der Sklaverei eurer Klosterhaft! Kommt zu uns nach Wittenberg, in der reinen Lehre Hochburg, ins Zion des wahren Evangeliums! Wir werden euch helfen.

Und natürlich, sie sollen samt und sonders in den Stand der Ehe eintreten, wobei manch eine sich fragt, ob sie nicht von einer Sklaverei in die nächste überwechseln. Anders hat er’s ja auch gar nicht gemeint, als er da geschrieben hat: »Wäre es nicht besser, wenn ein Weib etwas ungern und mit Unlust tun soll, sie wäre ehelich und täte solche Mühe und Unlust im ehelichen Stand äußerlich gegenüber den Menschen, wie ihrem Manne, Kind, Gesinde, Nachbarn etc.?«

Ungern und mit Unlust. So tönt es von ihm.

Und eigentlich wissen sie schon gar nicht mehr so recht, warum sie aus der Geborgenheit der Mauern des Klosters Mariathron zu Nimbschen bei Nacht und Nebel aufgebrochen sind, hätten die energische Käthe und die besonnen-ruhige Magdalena sie nicht bestärkt in dem einmal gefassten Entschluss.

Denn nachdem heimliche Post vom Kloster ausgegangen und von den Anverwandten beantwortet worden war, stand es denn fest: Keine der Frauen, die aus der engen Klosterobhut zu entkommen willens waren, würde von ihren Familien wieder aufgenommen werden, sondern allerseits herrschte daheim nackte Empörung.

Wie denn? Da hatte man die unliebsam überzähligen Töchter von Stand unter den Schleier gebracht für eine Summa, die zwar erheblich unter einer standesgemäßen Mitgift gelegen hatte, aber nun doch für umsonst ausgegeben war? Denn dass ein geistliches Haus jemals wieder herausrücken würde, was es erhalten, das war so unwahrscheinlich, wie, dass ein Gaul den Hafer wieder auskotzte.

Und dann … schrieben die Frauen nach Wittenberg.

Nun macht ihr Gefährt Station zu Torgau, für eine Zeit verborgen im Anwesen des Kaufmanns Leonard Koppe, der ihnen, furchtsam, wie sie waren, über die Klostermauer geholfen und sie bis hierher gefahren hat, Lutherischem Ersuchen und seinem festen evangelischen Bekenntnis gemäß. Er hat den Rollwagen in seinen Hof gefahren, dann aber die ermüdeten Pferde ausgespannt und den Frauen bedeutet, sie mögen sich auf keinen Fall von dem Wagen wegrühren und Aufmerksamkeit erregen, denn sowohl für sie als auch für ihn selbst bestünde höchste Gefahr. Nach weltlichem und geistlichem Recht, wie es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation fest verankert war, das würden sie ja wohl wissen, hätten sie durch ihr Entweichen ihr Leben verwirkt, und er als Fluchthelfer gleich mit dazu.

Nicht vom Wagen wegrühren? Sie haben Hunger und Durst, und ihre körperlichen Bedürfnisse lassen sich auch nicht mehr unterdrücken. Die Schwestern Margarete und Ave von Schönfeld, seit jeher die empfindlichsten und zartesten unter den Klosterfrauen, wimmern und beschwören die Käthe, doch etwas zu tun. Sie würden es nicht mehr aushalten.

Die Käthe. Eigentlich müsste Magdalena von Staupitz, als die Älteste, das Sagen haben bei dieser Truppe. Aber die ist eher zurückhaltend. Die Käthe ist immer mit dem Mund vorweg.

So auch hier, indem sie vom Wagen springt, den Koppe am Ärmel nimmt und ihn zurückhält.



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